„Das ist eine meiner Lieblingsstellen“, flüstere ich meiner Tischnachbarin zu. Vorne im Raum holpert sich eine Stimme am Hexameter ab. labitur et labetur in omne volubilis aevum …
„Warum?“ flüstert sie zurück.
Bis auf zwei enthält der Vers nur offene Silben. Vokal und Konsonant stoßen einander an und lösen einander aus wie Steine in einem Dominospiel; kaum ein Stocken von Positionslängen stört oder hemmt auch nur einen winzigen Augenblick dieses stete Fließen. Von den zwei Konsonantenhäufungen besteht die eine nur aus Sonoranten, die sich nahtlos in den Strom der Vokale einfügen. Wortakzent und Iktus fallen genau zusammen; reibungslos und ohne Holpern folgt betonte Hebung auf unbetonte Senkung, so daß die Silben vorbeigleiten, unaufhaltsam fließend wie der Strom selbst, den sie beschreiben. Dunkelheit beschwört das seltene Wort volubilis „wirbelnd“ herauf, eine Dunkelheit, die sich in der zweiten Worthälfte ein bißchen aufhellt, ganz wie ein Strom mal dunkel gurgelt, mal hell aufschäumt. Doch das Helle ist nur von kurzer Dauer und in Dunkelheit geschlungen, so wie das -bilis von tieftönenden Hinterzungenvokalen umgeben ist.
Ich weiß wohl, es ist nicht so gemeint, und meine Liebe zu dieser Zeile löst sie ganz aus dem Zusammenhang, der ein durchweg ermunternder und optimistischer ist. Aber mir spricht eine große Traurigkeit aus diesem Vers. Der Fluß wird für alle Zeiten dahinfließen, wir aber mit unseren kleinen Hoffnungen stehen an seinem Ufer und warten und warten darauf, daß er eines Tages versiege.