Der Tag will nicht. Das Licht klebt an der Nacht fest. Die Bäume schauern so leise, als wolle es gleich wieder dunkel werden. Ich bin nicht sicher, ob ich das schlimm fände. Im Zimmer ist es still, obwohl das Radio läuft. Der Gedanke streift mich, daß seit zwei Wochen die ersten Nachrichten des Tages stets das Wort „Anschläge“ enthalten. Bis auf diejenigen Nachrichten, die das Wort „Sozialreformen“ enthalten. Der Gedanke stört mich nicht. Er taucht wieder weg. Musik erklingt, die als Kammermusik von Max Reger angesagt wurde, aber so klingt, als sei sie von Schumann, vielleicht Mendelssohn. Ein weiterer Gedanke taucht auf: Was geht wohl hinter den Kulissen vor sich, wenn ein Musikstück falsch angesagt oder zur richtigen Ansage das falsche Stück aufgelegt wurde? Panik? Hektisches Herumsuchen in den CDs? Herzklopfen? Oder gelassene Heiterkeit? Und wie löst man das Problem der Verzögerung, wenn die Sendung doch bis auf Sekunden genau ausgetüftelt war? An dieser Stelle überkommt mich der Verdacht, daß meine Gedanken mir selbst zu schwierig sind. In den Scheiben ist wenig vom Hof zu sehen, nur mein Spiegelbild, wacher als ich selbst es bin, mir fremd, so fremd, als hätte dieses Gegenüber schon alles gelöst, alle Fragen beantwortet, die sich mir stellen, alle Wege schon klug beschritten, und warte jetzt auf mich, daß ich sie auch gehe. In den Scheiben sehen die Wände durchsichtig aus. Trotzdem scheint das gespiegelte Zimmer kleiner. Aber gemütlicher, überhaupt mehr wie ein Zimmer, wie etwas Wohlfühlbareres als das echte.
Als gebe es da draußen, in einem Raum, der nicht existiert, ein echteres Leben mit einem echteren Ich, das ein wahreres Leben führt als ich selbst.